Bremer Pflegekräfte gehen auf die Barrikaden
„Jetzt reicht es, deshalb organisieren wir uns in einem neuen Bündnis und werden der Öffentlichkeit zeigen, wie es im Krankenhaus tatsächlich aussieht. Darüber wollen wir stärkeren Druck auf die Politik ausüben“, sagt Ariane Müller. Sie hat vor mehr als 40 Jahren ihre Ausbildung zur Krankenschwester in Berlin absolviert, seit vielen Jahren arbeitet sie in Bremen im Nachtdienst auf einer Intensivstation im Klinikum Bremen-Mitte. Und: Sie hat das „Bremer Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus“ gegründet, das am Mittwoch offiziell vorgestellt worden ist. Es richtet sich an alle Krankenhäuser und ihr Pflegepersonal im kleinsten Bundesland.
„In allen Bremer Kliniken ist eine prekäre Situation erreicht“, sagt Roman Fabian, Betriebsratsvorsitzender des Krankenhauses Links der Weser, das zum größten Klinikbetreiber im Bundesland, der Gesundheit Nord (Geno), gehört. Der Betriebsrat unterstützt das Bündnis, ebenso wie die Gewerkschaft Verdi. „Alle haben die gleichen Probleme, auf den Stationen fehlen examinierte Pflegekräfte. Weil aus wirtschaftlichen Gründen grundsätzlich zu wenige eingestellt werden. Dazu kommt, dass es einen Fachkräftemangel gibt und die Kliniken im Wettbewerb um das Personal stehen.“
Vor einer Woche hatte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) die Ergebnisse einer Befragung zur Personalausstattung auf den Intensivstationen vorgestellt: Danach fehlen Tausende Pflegekräfte in den deutschen Kliniken. 53 Prozent der Krankenhäuser hätten Probleme, Fachpersonal für Intensivstationen zu finden. Jedes vierte verfehle Personalvorgaben, wonach auf zwei Patienten eine fachweitergebildete Vollzeitpflegekraft kommen soll.
Mehr Hilfe der Politik notwendig
Im statistischen Mittel sei das Verhältnis 2,2 Patienten je Fachkraft. Die Empfehlungen würden damit zwar in etwa erreicht. Die DKG bezeichnet den Wert als „objektiv gut“, Entwarnung bedeute das aber nicht. Mehr Hilfe der Politik, vor allem Geld, sei notwendig, um dem sich verschärfenden Fachkräftemangel in den Krankenhäusern – nicht nur auf den Intensivstationen, sondern in allen Abteilungen – entgegenzuwirken. Ariane Müller erlebt die Folgen des Fachkräftemangels auf ihrer Intensivstation fast täglich: „Wir haben 16 Betten, pro Schicht sollen es sechs Pflegekräfte sein, häufig sind wir aber nur zu fünft. Damit überschreiten wir die Vorgabe.“

Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat in diesem Sommer ein Gesetz auf den Weg gebracht, wonach die Krankenhäuser ab 2019 für besonders „pflegesensitive Bereiche“ wie Intensivstationen und Nachtdienst sogenannte Personaluntergrenzen einführen sollen. Bei Pflegekräften und Gewerkschaften löst dies Empörung aus: „Jeder Bereich im Krankenhaus ist pflegesensitiv“, sagt Jörn Bracker, Gewerkschaftssekretär für den Fachbereich Gesundheit bei Verdi. „Wir fordern einen festen Personalschlüssel als gesetzliche Vorgabe für alle Bereiche. Würde man nur zwei Bereiche als pflegesensitiv identifizieren, käme es zu einem großen Verschiebebahnhof beim Personal, und das würde an anderen Stellen Lücken reißen“, befürchtet er.
Wettbewerb um Fachpersonal
In den Krankenhäusern sei das Problem für die Zukunft erkannt, sagt Geno-Sprecher Rolf Schlüter. „Wir sind noch entspannt und befinden uns mit den vier Kliniken nicht in einer Notlage. Aber wir merken, dass es schwieriger wird, Fachkräfte zu bekommen.“ Grund sei der Wettbewerb der Krankenhäuser um die Fachkräfte, es würden zudem zu wenige ausgebildet. „Da stehen wir in Bremen noch nicht gut da.“ Examinierte Pflegekräfte könnten sich aufgrund dieser Situation den Job aussuchen, derzeit seien die Krankenhäuser als Arbeitgeber noch attraktiv. „Aber wir stellen fest, dass zunehmend ambulante Pflegedienste eine Berufsperspektive für die Fachkräfte sind“, so Schlüter.
Roman Fabian gibt vor allem der Politik die Schuld an der Situation: „Die Kliniken haben kein Geld, weil die Bundesländer – auch Bremen – ihrer Pflicht nicht nachkommen, ausreichend Investitionsmittel bereitzustellen.“ Die Kliniken müssten erforderliche Investitionen selbst finanzieren – „auf Kosten des Personals und letztlich der Patienten“, betont der Betriebsratsvorsitzende. Für Bündnis-Sprecherin Ariane Müller müssen sich vor allem die Arbeitsbedingungen durch mehr Personal verbessern. „Das ist der Grund, warum viele Pflegekräfte nach nur wenigen Jahren das Krankenhaus als Arbeitsplatz verlassen. „Ständige Überlastung und Druck machen krank.“