Redebeitrag auf der Demo des Bremer Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus am 21. September 2017 in Bremen

Ich bin Ariane und arbeite seit 1974 im Krankenhaus, ab 1981 im Klinikum Bremen Mitte auf der Intensivstation 3 als sog. Dauernachtarbeitsschwester mit einer voller Stelle. Ich habe schon immer versucht, mit Kolleg*innen im Krankenhaus für bessere und menschliche Arbeitsbedingungen zu kämpfen.

Jetzt im Sommer habe nicht nur ich gespürt, so kann es nicht weitergehen. Es muss sich jetzt was verändern. Der Druck auf uns Pflegekräfte wird immer stärker und stärker. So habe ich u.a. mit Jörn Bracker von ver.di das Bremer Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus im Sommer ins Leben gerufen. Anfangs waren wir sehr wenige, wir werden aber immer mehr. Ehrlich gesagt, ich hätte im Sommer niemals daran gedacht, dass wir heute diese Demo durchführen werden. Für mich war und ist es wichtig, auch die Beschäftigten aller Bremer Krankenhäuser miteinzubeziehen, die bei verdi noch nicht organisiert sind.

Die Arbeitsbedingungen (Abbau von Stellen,keine ausreichende Personalbesetzung, Arbeitshetze, Arbeitsverdichtung , Überstunden, keine Pausen, das ständige Einspringen, allein nachts auf einer Station, nur um ein paar Beispiele zu nennen) sind in den letzten Jahren so massiv schlecht geworden, dass wir die Schnauze einfach voll haben. Wir können und wollen nicht mehr. Die Arbeitsbedingungen machen uns krank, allein bei mir auf der Station in den letzten Jahren 8 Burnout-fälle. Was diese miesen Arbeitsbedingungen für die Patientenversorgung bedeuten, wissen wir alle. Immer mehr Kolleg*innen flüchten sich in die Teilzeit oder hören ganz auf im Krankenhaus zu arbeiten, ganz einfach aus einem Grunde, weil sie nicht mehr können.

Endlich nun erheben sich immer mehr Pflegekräfte. In mehreren Städten in Deutschland sind in letzter Zeit Bündnisse für den Kampf um mehr Personal entstanden. Es ist wichtig, dass wir unsere Mutlosigkeit und Resignation überwinden. Liebe Kolleg *innen, wir sollten so ein Bewusstsein der Stärke und des Stolzes entwickeln, dass die Arbeitgeber, die politischen Entscheidungsträger uns nicht mehr wie bisher abkanzeln können. Ohne uns läuft im Krankenhaus rein gar nichts. Wir erarbeiten die Kohle, die andere aufsaugen. Wenn wir wollen stehen alle Räder still.

Wir arbeiten gerne im Krankenhaus, wir pflegen gerne die Patienten, aber hoffentlich bald nur noch unter den Bedingungen, die wir mit unserem Gewissen vereinbaren können. Wir sind keine Sklaven, wir sind keine Schachfiguren, die Ausbeutung unserer Arbeitskraft muss endlich ein Ende haben.

Und wir haben den Zeitpunkt der Gründung des Bündnisses auch gewählt, weil jetzt die Bundestagswahlen sind. Die Bedingungen, um nachhaltige spürbare Veränderungen zu erkämpfen sind zur zeit für uns so gut wie selten zuvor. Wichtig ist für uns, dass wir nicht locker lassen, mit Almosen brauchen die da oben nicht mehr zu kommen. Wir müssen kontinuierlich den Druck ausbauen. Uns ist klar, ohne bundesweite, flächendeckende Streiks werden wir nichts erreichen. Die Kämpfe an der Charite in 2015 und jetzt sind für uns Vorbild.

Ein erster gemeinsamer Schritt ist hier das Bremer Bündnis, die Vernetzung mit anderen Städten und die heutige Protestdemo, nicht nur in Bremen sondern auch zeitgleich in einigen anderen Städten z.B. Hamburg. Zeigen wir der Öffentlichkeit, was wir von den derzeitigen Arbeitsbedingungen halten und machen wir der Politik in Bremen deutlich, was sich ändern muss. So werden wir die Petition mit unseren Forderungen, die wir gestern Abend auf der Pflege- und Krankenhausversammlung beschlossen haben an die Tür des Bremer Rathauses nageln.

Wir stehen erst am Anfang. Wir brauchen einen langen Atem. Durch unsere Entschlossenheit, durch unseren Kampf werden wir es schaffen, dass sich was verändert. weitere Kolleg*innen spüren, es lohnt sich vom Sofa aufzustehen und sich uns anzuschließen, um kraft- und phantasievoll für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen.

Gesundheit ist ein Menschenrecht, keine Ware. Solidarität ist unsere Stärke und Kraft.

Ariane Müller, 21. September 2017

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