Laut ver.di fehlen mindestens 1600 Stellen in Bremens Krankenhäusern. Was möchtest du tun, um den Personalmangel zu bekämpfen?

Der Personalmangel scheint in der Politik und Gesellschaft als Problem angekommen zu sein. Diese Erkenntnis reicht zur Problemlösung nicht aus. Welche Berechnungen der ver.di- Einschätzung zu Grunde liegen, sind mir nicht bekannt. Um den Personalmangel wirksam begegnen zu können, muss der Personalbedarf anhand der Bedürfnisse, Diagnosen und Therapien der Patiet*innen ermittelt werden. Zur Zeit dient der Personalmangel nur dazu, Beschäftigte moralisch und ethisch unter Druck zu setzen, damit ohne zusätzliche Vergütung jederzeit eingesprungen wird. Der Personalmangel ist jedoch nicht durch die Beschäftigten zu lösen. Die richtigen Adressat*innen ist die GF der Krankenhäuser und Konzerne sowie die politischen Akteur*innen. Als erster Schritt müssen sich die Beschäftigten solidarisieren und gemeinsam für stabile Dienstpläne kämpfen. Die Beschäftigten müssen in ihrer Weigerung, jederzeit einzuspringen, unterstützt werden. Die GF muss verpflichtet werden, den Personalmangel zu beenden. Sie müssen gezwungen werden, die Arbeitsbedingungen den medizinischen und pflegerischen Expert*innenstandart anzupassen. Als Instrumentarium stehen innerbetrieblich der Aufbau eines Springerpools als Ausfallkonzept, die Ablehnung der Dienstpläne sowie Einrichtung einer Einigungsstelle und die Erzwingung von Schließung von Stationen zur Verfügung. Leider sind diese Möglichkeiten nicht erfolgreich. Ein. Euer Hebel könnte ein arbeitsgerichtliches Verfahren mit den Focus des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten dienen. Leider liegt noch kein endgültiges rechtskräftiges Zrteil vor. Ver.di strebt mit dem Tarifvertrag Entlastung die Beseitigung des Personalmangels an. Der Tarifvertrag ist voran zu treiben und evt. Streikmaßnahmen zu unterstützen. Als ultima Ratio verbleibt die Skandalisierung und Pressearbeit.

Bist du für eine gesetzliche oder tarifliche Personalbemessung? Wenn ja, welche Maßnahmen möchtest du ergreifen, um eine solche zu erreichen?

Wie bereits oben erwähnt ist eine gesetzliche oder tarifliche Personalbemessung zwingend erforderlich. Nur durch eine zwingend umsetzbare Personalbemessung können Patient*innen medizinisch und pflegerisch nach Expert*innenstandart versorgt werden. Der Weg der Personalreduzierungen muss durch durchsetzbare Sanktionsmöglichkeiten flankiert werden. Eine gesetzliche Personalbemessung ist wirkungsvoller, da alle Krankenhäuser und Konzerne verpflichtet sind. Eine Tarifierung ist jedoch ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wie oben erwähnt, muss die GF und die politischen Akteur*innen gezwungen werden. Ein Streik scheint unumgänglich. Darüber hinaus bedarf es die Unterstützung der Vernetzung über ver.di hinaus, insbesondere über Bündnisse für mehr Personal in den Krankenhäusern bundesweit. Dafür trete ich ein.

Immer mehr Kolleg*innen beklagen sich, dass die Arbeit in der Nachtschicht alleine nicht zu bewältigen ist. Wie stehst du zu der Sofortmaßnahme „Keine Nacht allein“, und welche Möglichkeiten siehst du, das durchzusetzen?

Eine Sofortmaßnahme ist die Einführung von Hauptnachtwachen, die bei Bedarf von den Beschäftigten angefordert werden können. Aufgrund der Vielzahl der Überlastungsanzeigen kann die Einführung- in unserem Krankenhaus gelungen- voran getrieben werden. Die Arbeitsnachweise führen zur Transparenz des Bedarfes und können für weitere Maßnahmen genutzt werden.

Krankenhäuser stehen unter enormem ökonomischen Druck. Wie könnte man diesen überwinden?

Der ökonomische Druck ist zum Teil künstlich verursacht. Grundsätzlich normiert das Krankenhausfinanzierungsgesetz, dass die Krankenkassen die Behandlung der Patient*innen und die Instandhaltung zu zahlen haben, während die Kommune, die Stadt oder das Land für die Investitionskosten zuständig sind. Mit dem Argument der "klammen Kassen" entziehen sich Kommune, Stadt oder Land dieser Verpflichtung. Eine Einnahmequelle wird nur teilweise bedient und es entsteht ein enormes Einnahmeloch. Die Krankenhäuser versuchen das so entstandene Problem durch die Reduzierung der "Kostentreiber- Beschäftigte" zu kompensieren. Die Kommune, Stadt oder Bund müssen ihren Verpflichtungen zur Zahlung der Investitionskosten nachkommen. Es bedarf eine GF, die diesen Anspruch einklagt. Zur Zeit sträuben sich die GF und sanieren auf Kosten der Patient*innenversorgung und Beschäftigten. In der Gesellschaft muss dieser Vorgehen bekannt und skandalisiert werden. Die handelnden politischen Akteur*innen müssen entlarvt und zum rechtskonformer Handeln gezwungen werden.

Wie kann verhindert werden, dass unter diesem ökonomischen Druck die Interessen von Patient*innen und Beschäftigten unter die Räder geraten?

Wie bereits oben erwähnt ist der ökonomische Druck zum Teil künstlich verursacht. Als Betriebsrätin darf ich den sogenannten ökonomischen Druck nicht sogenannte alternativlose Tatsache akzeptieren. Es ist Aufgabe der GF, alle Einnahmequellen zu generieren. Der ökonomische Druck kann nicht als Grund für eine Patient*innen und Beschäftigten gefährdende Sanierung ins Feld geführt werden. Die Aufgabe als Betriebsrätin ist es, das Wohl der Patient*innen und den Schutz der Beschäftigten vor überlasteten und gesetzwidrigen Arbeitsbedingungen in den Mittelpunkt zu stellen. Sollten innerbetriebliche Maßnahmen verhindert werden, bleibt oft der Weg in die Öffentlichkeit als ultima Ratio übrig.

Wie stehst du zu der Forderung, dass das Gesundheitssystem in öffentliche Hand gehört? Bist du für die Rekommunalisierung privatisierter Häuser und ausgegliederter Bereiche?

Grundsätzlich gehört die Gesundheitsversorgung in die öffentliche Hand. Private Akteur*innen handeln im Rahmen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Die Gesundheit wird zur Ware. Ziel des unternehmerischen Handelns ist Profit. Allerdings muss der Forderung, dass die Gesundheitsversorgung in die öffentliche Hand gehört, kritisch begleitet werden. Wie bereits oben dargelegt ist die öffentliche Hand nicht im unerheblichen Teil für den ökonomischen Druck der Krankenhäuser verantwortlich. Es bedarf zunächst einer Klärung, in welchem Rahmen Gesundheitsversorgung angeboten werden soll. Es bedarf zwingend eine Personalbemessung, die den medizinischen und pflegerischen Expert*innenstandart zugrunde legt. Festzulegen ist weiterhin, wer für die Kosten der Behandlung, der Instandsetzung und der Investitionskosten verantwortlich ist und wie diese eingeklagt werden können. Die Rekommunalisierung der privaten Häuser muss in diesen Rahmen erfolgen.